[SES-interdisziplinär] Bedauern

Gertraud Weggemann gertraud.weggemann at aon.at
Di Jun 29 19:21:13 CEST 2021


Sehr geehrte Mitglieder der Mailingliste,

mit zunehmendem Befremden sehe ich an den Zusendungen, dass sogar in einem Beruf, der sich mit dem Kulturgut Sprache beschäftigt, sich so viele Verantwortliche (zum Glück nicht alle!) kritiklos der Vergenderung der Sprache beugen, 
anstatt die Regeln der Grammatik zu verteidigen und darauf hinzuweisen, dass das grammatische Geschlecht nicht mit dem biologischen zu verwechseln ist. Es wäre z.B. nicht nötig, die “Logopäden” mit “(m,w,d)” noch näher zu bezeichnen, da ja unter “Logopäden” , wenn es um deren Funktion geht, laut Grammatik alle Geschlechter eingeschlossen sind. Dasselbe gilt für die Stellenausschreibung neulich: “...Wissenschaftlichen Mitarbeiterin*Mitarbeiters (Qualifikationsstelle) (m-w-d)”. Lassen wir es doch nicht zu, dass unsere schöne Sprache aus ideologischen Gründen derart sexualisiert wird.

Sätze, wie “Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Logopäd*in“ lassen doch jegliche sprachliche Harmonie vermissen. Mir tun all jene leid, die unter diesen Prämissen die Sprache erlernen müssen. Und die Logopäden haben es ja mit Menschen zu tun, die Probleme mit dem Spracherwerb haben. Warum wehrt sich kaum jemand, dass den Klienten nun derartige Hürden auferlegt werden? Ist am Ende der Druck seitens der Genderbüros zu groß und die Stelle in Gefahr, wenn man sich dieser Doktrin widersetzt? Umso lauter müsste der Protest ausfallen!



Alle sind wir uns gewiss einig, dass niemand diskriminiert werden darf. Aber ist es nicht vielmehr so, dass die Diskriminierung erst jetzt beginnt, wenn nun alle Geschlechter mit der Endung „-innen“ feminisiert werden? Zum Unterschied vom maskulinen Generikum, das alle Geschlechter einschließt, werden im Deutschen mit „-innen“ ja ausschließlich Frauen bezeichnet. Die Diversen werden mit einem sprachlich irrelevanten Sternchen hervorgehoben, das noch dazu als Symbol auf eine der schlimmsten Diskriminierungen in unserer jüngsten Geschichte hinweist. Und die Männer werden amputiert oder überhaupt eliminiert: beim angeblich „gendersensiblen“ Wort „Bäuer*innen z.B. werden sich wohl kaum Bauern angesprochen fühlen. Und wie sieht die Einzahl aus? Ab jetzt gibt es nur mehr die Ärzt*in, Mensch*in usw.? Und wenn es bei der Polizei nun nur mehr Polizist*innen gibt, wird es wohl auch nur mehr Verbrecher*innen zu fahnden geben? Du liebe Gött*in!?? 



Ich empfinde dies als Verhöhnung der Frauen und bleibe auch als Frau lieber ein Mensch, der sich gegen diese gewaltsame, ideologisch bedingte Sprachverbiegung wehrt, als eine Mensch*in, die sich diese Indoktrinierung gefallen lässt.  



Aber zum Glück gibt es ja auch viele kritische Stimmen, wie z.B. den Rat der deutschen Rechtschreibung

 Rechtschreibrat warnt vor Gender* 

Zeichen wie, Asterisk und Unterstrich beeinträchtigen die Verständlichkeit.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung bleibt nicht nur bei seiner bisherigen Haltung, keine bestimmte Form der geschlechtergerechten Schreibung zu empfehlen. Er warnt vielmehr sogar vor mancher Ausprägung des Genderns. Nach einer teils virtuell abgehaltenen Sitzung in Mannheim betonte der Rat, dass geschlechtergerechte Schreibung nicht das Erlernen der geschriebenen Sprache erschweren dürfe. Die Nutzung von Gender-Stern (Asterisk) 

, Gender-Gap  (Unterstrich), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren beeinträchtige aber die Verständlichkeit,  Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten. Eine Aufnahme ins Amtliche Regelwerk der Deutschen Rechtschreibung könne daher derzeit nicht empfohlen werden. (kom)



Und vielleicht  ist auch der untenstehende Beitrag der Leiterin der israelitischen Kulturgemeinde des Kulturzentrums München ein  Anlass zum Nachdenken :



Jüd*innen Die deutsche Sprache benötige keine Gleichschaltung des grammatischen mit dem biologischen Geschlecht, sagt Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), in einem Gastbeitrag in der Jüdischen Allgemeinen: „Geschlechtergerechtes Formulieren unterminiert die Ausdrucksvielfalt im Deutschen.“ Es diene nur dazu, Gleichberechtigung gewaltsam in die Köpfe der Menschen einzustanzen, der Plural werde akustisch zur weiblichen Form verunstaltet. Diese Gleichschaltung werde über kurz oder lang die deutsche Sprache ruinieren. Presser geht sogar einen Schritt weiter und greift das Gendersternchen direkt an: „Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen muss, weil Juden als maskuliner Sammelbegriff unzulässig geworden ist, dann bekommen Leute wie ich auf neue Weise einen Stern verpasst.“ (juedische-allgemeine.de)

Und der Philosoph Richard David Precht kritisiert in seinem aktuellen Buch „Verschwörungstheoretiker und Querdenker“ auch jene, die mit vermeintlich geschlechtergerechter Sprache die Gesellschaft gängeln:

„Sprache ist kulturelle Heimat für Menschen, Sprache lebt durch Tradition. Die Tatsache, dass ich jetzt Mitbürger*innen oder Nationalsozialist*innen sage, macht aus mir keinen besseren Menschen und schafft auch nicht die geringste Form von Gleichberechtigung“.



Im Anhang noch eine Sachverhaltsdarstellung vom Sprachwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl. Damit es aber nicht allzu ernst wird, auch noch ein satirischer Leserbriefe. 



Mit freundlichen Grüßen 



Dr. Gertraud Weggemann-Posch
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <http://lists.uni-halle.de/pipermail/sprachstoerung/attachments/20210629/bc2a60ad/attachment-0001.html>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : Sprachgestammel SN.docx
Dateityp    : application/vnd.openxmlformats-officedocument.wordprocessingml.document
Dateigröße  : 16172 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <http://lists.uni-halle.de/pipermail/sprachstoerung/attachments/20210629/bc2a60ad/attachment-0002.docx>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : Prof. Pohl Gender_Sachverhaltsdarstellung.docx
Dateityp    : application/vnd.openxmlformats-officedocument.wordprocessingml.document
Dateigröße  : 19112 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <http://lists.uni-halle.de/pipermail/sprachstoerung/attachments/20210629/bc2a60ad/attachment-0003.docx>


Mehr Informationen über die Mailingliste Sprachstoerung